Mangelndes Bewusstsein und fehlende Sensibilität für Mikro-Veränderungen im Unternehmen stellen Risikofaktoren für neue Aufträge dar.
Jede Führungskraft kennt den Satz: „Never Change the running sytem“. Denn was gut läuft, muss nicht durch Leitungsintervention gestört werden. Und genau da liegt die Krux. Denn gerade routinierte und eingespielte Teams können verlernt haben, mit Neuem umzugehen. Allein das Auftreten neuer Kundenanforderungen bedeutet Veränderungen der Arbeitsweise. Und schon ist man mittendrin im Spannungsfeld Altbewährtes / Neues.
In dem Artikel zeige ich, warum Führungskräfte sich für kleine Veränderungen interessieren sollten. Ich erkläre, was hinter den Weigerungen des Teams bei Veränderungen stecken kann. Ich gebe Tipps, wie Sie Störungen vorhersehen und Ablehnungen entkräften können.
Warum ist das Risiko groß, dass Führungskräfte die Auswirkungen kleiner Veränderungen übersehen?
Gerade Führungskräfte werden geschult, das große Ganze zu sehen, den Überblick zu behalten. Den Fokus auf Makrophänomene zu legen, macht schnell unaufmerksam für Mikrophänomene. Die intensive Beschäftigung mit großen Veränderungen verhindert die Entwicklung einer Sensibilität für „kleine“, aber wichtige Veränderungen. Und so kann es passieren, dass vermeintlich kleine Veränderungen einen großen Knall verursachen.
Wenn wir von Veränderungen sprechen, denken wir sehr schnell in Kategorien wie „Transformation“ oder „Umstrukturierung“. Unser Hirn erwartet etwas richtig Großes. Dabei verkennen wir, dass Veränderungen immer dann auftreten, sobald ein Faktor oder ein Element hinzukommt oder verschwindet. Wir vergessen, dass Veränderungen sich entwickeln und klein anfangen. Eskalationen haben eine Geschichte.
Unkontrollierbare Eskalation kann verhindert werden, wenn das Potenzial von Veränderungen früh eingeschätzt wird.
Aber die Dynamik der Eskalation wird oft nicht erkannt. So erging es diesem Dienstleitungsunternehmen:
Ein Team arbeitet jahrelang zur Zufriedenheit einer Großkundin. Die Zusammenarbeit ist eingespielt und verlässlich. Die Großkundin äußert ihre Zufriedenheit gegenüber dem Team immer wieder aufs Neue. Das Team wird gelobt und fühlt sich bestätigt, die Audits sind stets erfolgreich: Es ist ein großartiges Team, das sehr eigenständig arbeitet! Aufgaben werden erledigt, die Erwartung werden erfüllt.
Die Großkundin empfiehlt das Unternehmen weiter. Die neue Kundin ist voller Erwartungen, das Team voller Stolz und die Unternehmensleitung voller Überzeugung, dass es der Anfang einer großartigen Zusammenarbeit sein wird.
Doch nach kurzer Zeit der Zusammenarbeit machen sich erste Irritationen und Störungen in der Zusammenarbeit bemerkbar. Denn das Team hat verlernt, auf neue Kundenwünsche und Anforderungen einzugehen.
Das Team fühlt sich durch jede Bemerkung und jeden Hinweis der Kundin und Leitung in Frage gestellt und kritisiert. Das Selbstverständnis der eigenen Arbeit ist stark angegriffen, denn das Team hat lange Zeit sehr viel Lob geerntet und musste kaum mit Kritik umgehen.
Kein happy End: Die Veränderung wird zum großen Knall.
In der Folge verschlechtert sich die Qualität der Dienstleistung, Schuldzuweisungen und Abwehrmechanismen nehmen zu. Unzufriedenheit macht sich breit und es häufen sich Reklamationen. Schließlich beendet die Kundin die Zusammenarbeit und auch die empfehlende Kundin wechselt zu einer/m neuen/r Dienstleister*in.
Ein/e Mitbewerber*in führt nun die Leistung durch, die einst das Vorzeigeprojekt war. Das Team wird aufgelöst und die einzelnen Teammitglieder in andere Projekte eingesetzt. Die Führungskraft will verstehen, was passiert ist und absolviert im Nachgang ein Coaching.
Was könnten Sie bei Veränderungen anders machen?
Wenn Sie wissen, dass Sie vor einer Veränderung stehen, können Sie eine Checkliste nutzen, die Ihre QM-Abteilung zur Verfügung stellt. Oder Sie erstellen selbst eine. Und wenn es schnell gehen muss, können Sie die Liste mit Hilfe von Chat GPT erstellen:
- Wie werden die Teammitglieder über die bevorstehenden Veränderungen informiert? Sind die Informationen für die Umsetzung ausreichend?
- Haben die Teammitglieder die Möglichkeit, Fragen zu stellen und Bedenken aber auch Unsicherheiten offen auszudrücken?
- Wann wird das Team in den Veränderungsprozess einbezogen? Passt der Zeitpunkt?
- Benötigt die Veränderung eine Schulung bzw. Unterstützung anderer Personen?
- Wie wird der Veränderungsprozess überwacht und bewertet? Können Anpassungen bei Problemen vorgenommen werden?
Die Checkliste kann allerdings erst genutzt werden, wenn Veränderungen bereits wahrgenommen und als solche bezeichnet wurden. Und sie schafft kein Bewusstsein für Veränderungen.
Wie schaffen Sie ein Bewusstsein für Veränderungen im Team und bei sich selbst?
Die Grundlage für ein solches Bewusstsein ist ein Verständnis dafür zu entwickeln, warum sich ein Team so sehr weigert, auf die Veränderungen einzugehen.
Zurück zu unserem Beispiel: Nach ein paar Versuchen, das Team an seinen Auftrag zu erinnern und an die Einsicht zu appellieren, kann die Leitung die steigende Verweigerung und das Problem des Teams immer weniger nachvollziehen. Deswegen weist sie vermehrt auf arbeitsrechtliche sowie auf die Vertragsbedingungen der Dienstleistung hin.
In diesem Beispiel besonders problematisch: Das Team ist nicht in der Lage, seine Bedürfnisse sachlich zu vertreten und zu kommunizieren und schiebt stattdessen alle Problemursachen auf die Unfähigkeit der Leitung zurück. Damit versucht das Team, sein Gesicht zu wahren. Das Verhalten beider Parteien verschlimmert den Konflikt und die Gesamtsituation. Nebenschauplätze und persönliche Zuschreibungen dominieren bald die Zusammenarbeit und Arbeitsgespräche. Der Sachkonflikt wird zum persönlichen Konflikt.
Dabei wurde von der Leitung als auch vom Team übersehen, dass die einst geschätzte professionelle und routinierte Arbeitsweise des Teams nun DAS Veränderungshemmnis darstellt.
Das Team will die Arbeitsweise, wie es mit der Kundin arbeiten muss, nicht akzeptieren. Aus der eigenen Perspektive KANN es das auch nicht, denn dadurch wird sein über die Jahre gemeinsames erarbeitetes Qualitätsverständnis angegriffen. Die geforderte Arbeitsweise stellt somit eine Verletzung der erarbeiteten und mehrfach bestätigten professionellen Haltung dar. Nachvollziehbarerweise hat die Leitung diese professionelle Haltung und den Prozess dorthin sehr unterstützt. Sie sah das professionelle Arbeiten des Teams als große Stütze ihrer eigenen Führung.
Weigerungen und Ablehnungen des Teams sind Ihre Wegweiser und Denkhelfer.
In vielen Unternehmen besteht folgendes Paradoxon: Einerseits tun Organisationen viel dafür, dass Teams und Mitarbeitende professionell zusammenarbeiten und eine professionelle Haltung entwickeln bzw. weiterentwickeln. Anderseits spielt die professionelle Haltung in Diskussionen, Krisen-Gesprächen und Auseinandersetzungen keine nennenswerte Rolle.
In Krisensituationen wird auf der Beziehungsbühne gespielt und Nebenschauplätze belegen die ersten Plätze. Zurück bleiben persönliche Anfeindungen, Verletzungen und sogar Demütigungen. Bei Eskalationen werden möglicherweise Drohungen ausgesprochen. Diese Reaktionen sind meistens Ausdruck von Hilflosigkeit und Ohnmacht.
Damit verpasst man nicht nur die Chance, sich konstruktiv mit unterschiedlichen Sichtweisen und Veränderungen auseinanderzusetzen. Man verpasst auch die Gelegenheit, aus der Situation zu lernen und ein situatives Team-Verständnis zu entwickeln. Die Würdigung der professionellen Haltung auch und gerade in Krisen- und Veränderungssituationen hilft dem Team, zu wachsen.
Wenn Sie als Führungskraft die professionelle Haltung des Teams einbeziehen und ihm helfen, Irritationen und Differenzen zum Thema zu machen, ebnen Sie den Weg zur Akzeptanz. Sie öffnen aktiv den Blick für gemeinsame Lösungen im Umgang mit bevorstehenden Veränderungen.
So verändern Sie wirksam: Beobachten Sie Ihre eigenen Gefühle und Gedanken.
Als Führungskraft fühlt man sich richtig schlecht mit diesem Gefühl, etwas übersehen zu haben. Wenn etwas schiefgelaufen ist, werden in der Retrospektive reflexartig Sicherheitsmaßnahmen für die Zukunft eingeführt. Manchmal werden Grundsätze zurückgenommen: Weniger Vertrauen, mehr Kontrolle. Wer ehrlich ist, weiß aber, dass diese Maßnahmen und Handlungen Placebos sind.
Man selbst und auch die Organisation mögen sich durch solche Maßnahmen kurzfristig besser fühlen, aber sie ändern nichts an der grundlegenden Problematik. Für Kunden und Geschäftspartnerinnen mögen sie vielleicht ein Signal sein und nach außen zeigen, dass man selbstreinigende Prozesse eingeleitet hat. Aber echte Veränderungen müssen Sie anders angehen.
Wenn Sie wirklich etwas verändern wollen, sollten Sie vor allem eins machen: Schulen Sie unermüdlich Ihre eigene Achtsamkeit. Ganz simpel und pragmatisch. Stellen Sie sich Fragen wie diese:
- Ist etwas Neues hier?
- Stellen die Veränderungspotenziale, neue Herausforderungen für das Team dar?
- Wie ist mein Team gestrickt, wie ist es gewohnt zu arbeiten?
- Wie könnte mein Team auf die Veränderungen reagieren?
So führen Sie vorausschauend: Wenden Sie Ihre eigene innere Checkliste an.
Wenn Sie vermehrt merkwürdige Gefühle haben, schauen Sie sie an, ohne Angst und Kritik. Diese Gefühle sind sehr nützlich und stellen zusammen Ihr „Präventionsorgan“ dar. Sie können sie außerdem wie eine interne Checkliste anwenden.
- Fragen Sie sich, warum Sie diese Gefühle haben.
- Warum sind Sie unruhig?
- Warum sagen Sie sich andauernd: „Es wird schon gut gehen“?
- Warum sprechen Sie den Satz: „Die machen das schon“ wie ein Mantra?
Nehmen Sie sich einfach etwas Zeit dafür, mit zunehmender Übung läuft es automatisch.
Haben Sie etwas Ähnliches bereits erlebt und Sie möchten Ihre Aufmerksamkeit gezielt trainieren oder Ihr Team besser unterstützen? Oder vielleicht stehen Sie vor ganz anderen Herausforderungen? Ganz egal was, erzählen Sie mir gerne davon. Wir schauen dann gemeinsam, was ich für Sie tun kann.
Ihre Valérie Turbot
Coaching Box In 7 Schritten: Veränderungen klein und händelbar halten 1. Weigerungen des Teams als Wegweiser nutzen 2. Ablehnung als Ausdruck der Ohnmacht und Trauer akzeptieren 3. In Dialog treten und dabei Wertungen vermeiden 4. Professionelle Haltung würdigen und als Thema für die Konfliktbehandlung nutzen 5. Team helfen, Trauer- und Schmerzpunkte zu formulieren 6. Gemeinsame Lösungen entwickeln, professionelles Verständnis anpassen 7. Eigene Gefühle für eine vorausschauende Führung nutzen |